Es ist Donnerstag, normalerweise nicht ein Tag der mir sehr entgegenkommt. Irgendwie scheint mir dieser Wochentag immer damit behaftet zu sein, dass wenn etwas schiefläuft, es ganz bestimmt an einem Donnerstag passiert. Also sowas wie der Freitag der 13., einfach so dass er wöchentlich zurückkommt. Da passt es doch ganz gut, stehen heute ein paar Monster auf dem Programm. Mit Monster sind natürlich Lordi gemeint. Die Finnen begeben sich, zwei Wochen vor dem ESC, im Z7 auf die Bühne und laden zur Unliving PicTour Show ein. Die ESC-Geschichte ist zwar schon eine Weile her, den Versuch mit Rock/Metal das Ding zu reissen ist in den vergangenen Jahren nicht wirklich gelungen, auch wenn es immer wieder Bands versuchen. Selbst in diesem Jahr ist mit Smash Into Pieces aus Schweden ein heisser Kandidat mit dem Knallersong «Hero» leider schon in der Vorentscheidung hängen geblieben. Wird also auch in diesem Jahr wohl nichts mit einem Gewinner aus dem Gitarrenlager. Mit im Gepäck haben Lordi die aktuell sehr angesagten All For Metal und die kurzfristig eingesprungenen Crimson Veil. Supreme Unbeing die ursprünglich geplant waren, mussten ihren Auftritt aus gesundheitlichen Gründen absagen. Im Z7 angekommen gleitet mein Blick gleich einmal nach links und rechts und ich sehe Merchandising in Massen. Sowohl Lordi als auch All For Metal fahren hier das volle Programm auf. Aber auch Crimson Veil haben ihre kleine Ecke eingerichtet.

Für den Merch-Stand entscheide ich mich dann aber erst später, ich bin der Meinung, erst sollen die Künstler abliefern, bevor ich abliefere. Pünktlich um 19:00 starten die Briten aus Brighton in ihre zugesicherte Spielzeit. Mit einer mehrheitlich in rotes Licht getauchte Bühne betreten drei Mädels und ein Bursche die Bretter, die die Welt bedeuten. Ich habe von der Band zuvor noch nie etwas gehört und bin aktuell gerade ein wenig orientierungslos. Wo soll ich diese Band die mit Kapuze (Gitarre), Hirschgeweih (E-Cello), umfangreichen Mundschutz (Schlagzeug) und einem kunstvollen Ziegenhörner – Kopfschmuck (Sängerin) der ein klein wenig an Noora von Battle Beast erinnert, einordnen. Düster, melancholisch, avantgardistisch aber mit viel Raum für jedes Instrument kommen hier Klänge aus dem PA. Da mich die Outfits der Protagonisten sehr an Druiden erinnert, erschaffe ich jetzt spontan die Schublade Druiden Metal als Stilrichtung. Die Band würde ich gerne an einem Open-Air in Stonehenge sehen. Ich glaube die Wirkung dort wäre noch um einiges intensiver. So oder so entführen mich Crimson Veil in ihre musikalische Welt, die mich überraschenderweise doch irgendwie zu fesseln vermag. So dass ich ihnen gerne noch etwas länger zugehört hätte.

Nicht nur die Bühne wird nun umgebaut, auch die Stilrichtung ändert sich auf dramatische Weise von Druiden Metal zu Power Metal. All For Metal sind noch nicht so lange auf dem Parkett (Gründungsjahr 2022), aber in dieser kurzen Zeit absolvieren sie die bereits zweite Europatour, bringen demnächst ihre zweite Platte an den Start und haben bereits einige namhafte Festivals im Palmarès stehen. Verfügen als bereits über genügend Erfahrung um auch heute als ein sehr eingespieltes Team zu harmonieren. Es ist echt immer was los auf der Bühne. Natürlich dreht sich bei All For Metal alles um die beiden Frontmänner, dem Conan-gleichen Tetzel und Antonio, der zwar auch Muskel bepackt ist aber nicht so wie der Hüne, der es locker schafft, seine solierende Gitarristin an der Hüfte zu packen, und mal so mir nichts dir nichts auf ein Podest umzuplatzieren. Ich kann mir vorstellen die Damen aus dem Publikum werden sich an den Muskelpaketen sattgesehen haben. Auch für uns Männer hat die Band gedacht und hat, neben den beiden Gitarristinnen, auch gleich zwei Tänzerinnen mitgebracht. Für das Auge wird also etwas geboten. Ach ja, ich habe noch den endlos rumwirbelnden Derwisch am Bass vergessen, denn ich sogar mit Instrument einmal im Publikum ausmachen konnte. Was am Ende des Tages aber zählt ist die Musik, die hervorkommt, wenn die Verpackung erst einmal weg ist. Klar erfinden All For Metal den Power Metal nicht neu, braucht es auch nicht. Was es braucht, sind Hymnen, die beim ersten Durchgang im Gehör hängen bleiben und davon hat die noch junge Band doch schon erstaunlich viele. Lobenswert finde ich auch, dass Antonio seine Ansprachen fast ausnahmslos in Deutsch macht, auch wenn er in einer deutschen Band spielt, als Italiener nicht selbstverständlich. So wird erwähnt, wie wichtig heutzutage das Merch für eine Band ist und die Band geizt nicht damit Bierdeckel ins Publikum zu schmeissen. Nach einem «Auszieh-Intermezzo», werden sogar zwei Shirts ins Publikum geschmissen und verschenkt. Bei meinem nachträglichen Gang an die Verkaufsbude werde ich sogar noch mit Abziehbildern beschenkt. Währenddessen geht auf der Bühne die Action weiter, da wird von Tetzel auch schon einmal Thors Hammer geschwungen und ein Tisch zertrümmert. Florian, der wilde Hund am Bass, zelebriert in einem kurzen Basssolo sogar die Schweizer Nationalhymne. Dieser wilde Ritt wird von einem etwas mehr zur Hälfte gefülltem Z7 verfolgt, dürften also gerne etwas mehr gewesen sein. Rein subjektiv betrachtet würde ich jedoch sagen, dass bei All For Metal sogar etwas mehr Leute in der heiligen Halle der Rockmusik vor der Bühne gestanden haben als später bei Lordi. Gleich unmittelbar nach dem Auftritt war die Band auch Selfie-willig beim Merchstand anwesend, um die anschliessende Umbaupause etwas kurzweiliger zu gestalten. Alles in allem ein wuchtiger, und nicht nur wegen den Muskeln, Auftritt der definitiv Lust darauf macht All For Metal am Rock The Lakes im August wieder erleben zu dürfen.

So nun wird also die Bühne für die Monster Rocker aus Rovaniemi hergerichtet. Rechts das Keyboard, links das Schlagzeug und in der Mitte das «Lordi-Tor». Das Licht wird abgedunkelt und es dröhnt Gods Of Thunder von Kiss über die Beschallungsanlage. Mr. Lordi war zeitweise sogar Präsident des finnischen Ablegers der Kiss Army. Anfangs ihrer Karriere war ich echt begeistert von der Band, die ich zum ersten Mal schon vor dem ESC-Gewinn live sehen durfte. Die Freude trübte sich später, als ich sie beim Bang Your Head so, wo ihre Gimmicks nicht so funktionierten wie sie sollten. Die Band war sichtlich angepisst und empfand das Set damals als stinklangweilig. Bis heute habe ich danach die Band nicht mehr live gesehen und bin aber jetzt richtig positiv überrascht. Die Spielfreude ist selbst unter den Masken erkennbar und ansteckend. Mr. Lordi selbst zeigt sich heute auch als überaus redseliger Zeitgenosse, dem man das Monster gar nicht abnimmt. Also mehr der weiche Kern in der harten Schale. Nirgends hat Lordi bisher mehr live gespielt als im Z7, obwohl die 44x dann wohl doch eher übertrieben sind. Aber auch dies zeigt, wie beliebt die Location bei den Bands ist. Aber zurück zur Musik, nach dem Intro ist vor dem Intro, sprich nach Kiss kommt erst ein Narrator auf die Bühne und lipsynct (kenn man nicht nur bei DJ Bobo) SCG XVIII vom aktuellen Album. Überraschenderweise kommen beim ersten Teil der Show relativ wenig Requisiten auf die Bühne, man lässt die Musik sprechen, oder wie erwähnt Mr. Lordi himself. Schon ziemlich früh ins Set platziert bringt Mana sein Schlagzeugsolo, naja Star Wars haben ich schon anderswo gehört, also auch nicht sehr einfallsreich, aber kann man machen, Darth Vader war ja auch ein Monster. Es folgen Songs aus der ganzen Karriere der Finnen die in Finnland bereits sechs Emma Awards (vergleichbar mit dem Swiss Music Award) abgeräumt haben. Das letzte Album Screem Writers Guild ist jedoch klar Dreh- und Angelpunkt der Setliste. Die Requisiten werden dann aber doch noch ausgepackt. So wird Hella der Kopf wieder angenäht, bevor sie zum Keyboardsolo ausholen kann. Bei Wake The Snake ist die Schlange mit von der Party oder später bei Kalmageddon ziert ein Wolfskostüm Mr. Lordi. Hiisi entführt uns zuvor bei einem Basssolo in den Jurassic Park. Die Co2 Pistole wird ausgepackt und das Publikum richtig nett eingenebelt. Leider muss ich aber die Halle nach dem schwebenden Gitarrensolo verlassen, da ich doch eine relativ kurze Nacht vor mir habe und am anderen Tag frühmorgens an den Besuchstag meines in der Rekrutenschule weilenden Sohns muss, was ja auch eine Horrorvorstellung ist (und auch wurde), und dieser findet im Engadin, also am anderen Ende der Schweiz statt. Damit entgehen mir aber die richtig grossen Nummern wie «Devil Is A Loser», «Would You Love A Monsterman» und eben dem ESC-Siegersong. Was ich aber klar festhalten kann, Lordi haben bei mir wieder enorm Boden gut gemacht. Sie versprühten wie gesagt eine enorme Spielfreude und hatten ein Monstergaudi auf der Bühne. Und meinen Monsterrespekt haben sie ebenfalls aufgrund ihrer Bühnenkostüme. Ich möchte nicht wissen, wie schweissgebadet die nach 120 Minuten jeweils aus ihren Klamotten schlüpfen.