Die Rocknacht Tennwil lockt Jahr für Jahr immer wieder mit einigen musikalischen Leckerbissen. Trotzdem hatte ich es bis jetzt noch nie geschafft am Hallwilersee dieses gemütliche Festival zu besuchen. Im Jahr 2022 sollte diesem Umstand nun aber endlich ein Ende bereitet werden. Die Anreise erfolgte dann auch relativ störungsfrei, und vor Ort wurde ich dann auch perfekt in meinen Parkplatz eingewiesen. Schon da zeigte sich wie familienfreundlich es hier wohl zu und her gehen wird. Dieser Eindruck bestätigte sich dann über die kompletten zwei Tage, hier ist wirklich alles wie bei einem Familienfest, nur ist die Verwandtschaft etwas grösser. Beim Abholen des Fotopasses nahm mich dann auch gleich Thomas, der Chef des OK’s, höchstpersönlich in Empfang und gab mir als Rocknacht Neuling schon einmal ein paar Infos. Ich fühlte mich zusammen mit meinem Sohnemann sofort wie zu Hause im grossen Zelt wo schon bald die Party steigen wird. Zuerst aber geht es auf Begrüssungsrunde und es gab schon im Vorfeld den einen oder anderen Schwatz in der musikalischen Verwandtschaft.

Pünktlich um 19:00h startet dann meine Premiere an der Rocknacht Tennwil mit einer weiteren Premiere. Big Clyde betraten die Bühne, eine Band, die ich bisher auch noch nie live gesehen hatte. Den eigentlich schwersten Slot als Opener eines Festivals meisterten die Zürcher mit Bravour. Schon von Beginn weg vermochten sie doch schon eine stattliche Anzahl an Fans vor die Stehtische zu locken und boten eine astreine Rockshow. Frontmann Kevin hatte zu jeder Zeit sein Publikum im Griff. Auch den Unterbruch zur Schweigeminute für einen tragischen Verlust innerhalb der Rockszene (nicht der einzige im Verlaufe des Festivals) liess die bereits gute Stimmung nicht einbrechen. Zudem fand ich es als wertschätzende Geste innerhalb der Rockcommunity. Wird sicherlich nicht der letzte Auftritt der Band gewesen sein, bei welchem ich zugegen bin.

Als nächstes waren Serious Black im Festzelt am Zuge. In Ihrer doch schon 8 Jahre dauernden Karriere mit bereits 5 Alben im Gepäck, haben die Bayern aber auch schon das Besetzungskarussell drehen lassen. Illustre Namen wie Thomen Stauch (Blind Guardian) oder Roland Grapow (Masterplan, Helloween) standen in den Diensten von Serious Black. Trotzdem sind mit Bassist Mario Lochert und Gitarrist Dominik Sebastian immer noch zwei Gründungsmitglieder mit am Start. Neu dabei am Mikro ist der Serbe Nikola Mijic, schon bekannt von Eden’s Curse. Viel Spielfreude und auch der bayrische Schalk von Mario prägten die Show. Nicht unerwähnt durfte natürlich bleiben, dass sie schon bald wieder in der Schweiz auftreten werden, im Musiktempel Z7 werden sie 24. November dann mit einer Headliner Show begeistern.

Schweden ist bekannt für Bands der ersten Güteklasse, egal aus welcher Stilrichtung das Land von ABBA bringt dauernd hochklassige Bands auf das Billing eines jeden Festivals. Vor allem im Rockbereich ist Schweden eine todsichere Wertanlage beim Buchen von Bands. Da bilden auch die heute oberhalb des Hallwilersees auftretenden Coldspell auch keine Ausnahme. Und wenn der Einstieg mit Forevermore gemacht wird, kann eigentlich nichts mehr schief gehen. Zudem hat man mit Niclas Svedentorp einen sehr sympathischen Sänger im Line-Up der mit viel Charisma ans Werk geht. Blickfang ist bei mir dann aber vermehrt der Bassist Chris Goldsmith. Er zelebriert mit seinem Tieftöner jeden einzelnen Ton und ist natürlich auch für mich als Fotograf ein gutes Sujet. Die 12 Songs des Sets werden souverän auf die Bretter gebraucht und es ist ein wahrer Hörgenuss und eine unglaublich gute Verpflichtung, die das Rocknacht Team hier gemacht haben. Ich denke dessen war sich das Team auch bewusst, war es doch schon das zweite Mal, dass die Schweden hier auftreten.

Zeit für den Headliner Victory, die deutsche Hard Rock Institution um Herman Frank hat es geschafft mit ihrem letzten Output wieder an die glanzvollen Tage der 80er anzuknüpfen. So ist das jüngste Album Gods Of Tomorrow gespickt von richtig geilen Songs, trotzdem schaffen es nur zwei in die Setliste. Diese ist geprägt von den beiden Inselalben Temples Of Gold und Culture Killed The Native. Die Frage des Openers Are You Ready erübrigte sich, klar war Tennwil ready und wie. Mit Gianni Pontillo ist, wie bei den erwähnten beiden Meilensteinen, wieder ein Schweizer am Mikrofon. Zudem gleich mal einer der besten Sänger die unser Land zu bieten hat. Dem bewusst, hat Heman ein Dauergrinsen im Gesicht, den Gianni vollbringt auch hier wieder eine Meisterleistung. Egal ob es die neuen Songs sind oder die Klassiker, Gianni kann sie alle, und zwar so als wären sie schon immer nur auf ihn zurechtgeschneidert worden. Victory bieten ein Best-Of Programm, das kein Auge trocken lässt und versetzt mich mehr als einmal in meine Teenagerzeit, als Songs wie On The Loose oder Don’t Tell No Lies zu meinem Soundtrack der damaligen Zeit gehörten. Ein würdiger Headliner, der diesen Freitagabend abschliesst und eigentlich keine Wünsche mehr offen lässt.

Die Anreise am Samstag gestaltete sich dann etwas gemütlicher, schliesslich musste ich nicht erst arbeiten und kannte so den Weg schon. Ich wollte auch etwas früher anreisen, da ich noch ein paar Unterschriften auf einem Poster brauchte, die ich dann auch kriegte. So blieb, bevor es dann in den Festivalsamstag losging, erneut genügend Zeit mich mit einigen Gleichgesinnten zu unterhalten, die den Weg erst am Samstag an die Rocknacht Tennwil fahren konnten. Was erneut zu einigen angeregten Diskussion führte und die Schnupfdose sass auch ein wenig lockerer heute. Grundsätzlich ist überhaupt dem ganzen Festival zu attestieren, dass es sehr gemütlich und entspannt zu und her geht, keine Spur von Hektik oder Nervosität. Man merkt das Team ist eingespielt und einfach nur hervorragend organisiert. Zudem ist es ein ausgesprochenes Familienfest. Nirgends habe ich bisher soviele Kinder in der ersten Reihe auf der Abschrankung gesehen wie hier. Um den Nachwuchs der Konzertgänger braucht man sich schon mal keine Sorge zu machen, wenn man die mit gelben Ohrschützer ausgerüsteten Kids sieht, die ebenso leidenschaftlich mit den Bands mitfeiern.

Dann aber war es so weit und meine Lieblingsostschweizer Black Diamonds betraten die Bühne. Sie legten erneut mit No-Tell Hotel los und spielten wieder ein saugeiles Set, so wie man es sich von ihnen gewohnt ist. Was will man mehr als Opener als solch eine Gute Laune Band, die so bodenständig ist wie es die vier Jungs sind und jede Sekunde auf der Bühne zu geniessen vermag. Zudem halt auch die Songs zu schreiben vermag die nur ansteckend sind. Ein Auftritt der einfach wieder einmal viel zu schnell vorbei ist. Wie viele Bands treiben sie sich danach sehr Fan-nah am Merch-Stand rum oder genossen ganz einfach auch die nachfolgenden Bands mitten im Publikum. Man muss sie einfach lieben die Black Diamonds. Zudem ziert nun das unterschriebene Poster mein Büro zu Hause, danke nochmals an Mich, Andi, Chris und Manu.

Die nachfolgende Band Radiant sah ich nun auch zum ersten Male live. Viel Gelegenheit sie live zu erleben, gab es leider auch noch nicht, wenn man sieht, dass die Band gerade mal ca. 10 Konzerte absolviert hat. Mit Herbie Langhans steht der Band jedoch kein Unbekannter vor. Herbie hat schon die grössten Bühnen der Welt beehrt, wenn er mit Avantasia oder Firewind. Bühnen die vielleicht auch schon bald für Radiant ein Thema sein könnten, denn das Konzert war sehr souverän und Herbie ist einfach auch ein begnadeter Sänger und die Band insgesamt schreiben richtig gute Songs. Die Band standen in Sachen spielerischen Qualitäten dem Frontmann absolut in nichts nach. Die Jungs hatten ihre Instrumente echt im Griff und zeigten eine richtig geile Liveshow, dies obwohl, wie eingangs geschrieben, noch gar nicht so viele Konzerte zu Buche stehen. Wie schreiben sie es so schön auf ihrer Webseite; Honest. Powerful. Melodic. Hard Rock. Dies trifft es so ziemlich genau. Ihr letztes Album Written By Life, welches gerade erst im Frühling erschienen ist beinhaltet einige melodische Leckerbissen, die einfach auf die Bühne gehören. Ich werde mir Radiant sicherlich nicht das letzte Mal angesehen haben.

Jedes Festival hat so seine Farbtupfer uns so auch die Rocknacht Tennwil. Doctor Victor aus Tschechien sind genau diese Abwechslung im Billing. Das Trio war mir nicht unbekannt, sah ich sie vor ein paar Jahren schon am UrRock Music Festival und trotzdem war es anders. Denn von der damaligen Besetzung ist nur noch der Doktor selbst übriggeblieben. Victor tauschte die komplette Band aus. Was aber blieb ist der bluesig geschwängerte Rock mit den exzessiven Gitarrensolos. Nachdem ich die Bilder geknipst habe, ging es für mich so dann auch erstmals an die Verpflegung. So kriegte ich dann von hinten im Zelt mit, wie sich Doctor Victor an Purple Rain von Prince wagten, was auch durchaus als gelungen interpretiert, abgetan werden konnte. Victor zeigte sich wieder als bewegungsfreundlicher Zappelphilipp der nicht ruhig zu stehen vermochte, ausser er stand da mal am Mikro. Dies wirkte sich auch auf das Publikum ansteckend, denn die gingen richtig gut mit. Mit dabei war auch wieder das Stethoskop, um sich die Herzschläge einiger Gäste im Publikum abzuhören.

Eine astreine Schweizer Premiere steht mit Wig Wam bevor. Die Norweger spielten zuvor in ihrer Karriere noch nie in der Schweiz und nun kommt die Rocknacht Tennwil zu der Ehre diese Glam Metal Band rund um Åge Sten Nilsen das erste Mal zu präsentieren. Die vor drei Jahren wiedervereinte Band machte schon früh in ihrer Karriere von sich reden, als sie 2005 am Eurovision Song Contest teilnahmen. Dabei belegten sie mit der Hymne In My Dreams letztlich den beachtlichen 9. Platz. Man könnte sagen aller guten Dinge sind drei, denn 2004 versuchte es Wig Wam bereits, schied aber in der norwegischen Vorentscheidung mit dem dritten Platz aus. Zudem versuchte es Nilsen bereits unter dem Künstlername G’sten 1998 auch schon. In Tennwil benötigt Wig Wam jedoch keine drei Versuche, um durchzustarten, bereits mit dem ersten Song vermochten die aus dem untersten Ecke Norwegens stammende Band, durchzustarten und gaben gleich mal den Tarif bekannt. Was folgte war 90 Minuten beste Unterhaltung mit einer bestens aufgelegten Band und einem charismatischen Frontmann aus dem Bilderbuch. Gitarrist Trond Holter, zählt für mich seit seinem Solo von Walking on Water (aus seinem Dracula Projekt mit Jorn) zur Topliga, liess sich selbst durch einen Saitenriss mitten in seinem Instrumental nicht aus der Ruhe bringen uns spielte locker zu Ende, mit runterbaumelnder Saite. Bei der besinnlichen Piano Ballade My Kaleidoscope Ark gedenkte auch Wig Wam wie schon Big Clyde am Vortag mit Worten dem Verlust und machte aufmerksam, wie schnell das Leben doch vorbei sein kann. Abschluss des superben Konzertes machte dann natürlich In My Dreams in einer doch etwas rockigeren Version als noch am ESC. Kaum war die letzte Note gespielt machte sich die Band ohne Umwege zum Merch – Stand und wurden dort auch regelrecht abgefeiert, mit Autogrammwünschen und Selfies für die Fans.

Nach Wig Wam folgte dann noch die Kampfansage von BBR. Die Band rund um Manu Burkart versprach nichts anderes als den totalen Abriss. Zu was die Band fähig ist, konnte ich mich auch schon früher vergewissern und wusste, dies sind keine leeren Worte. Trotzdem schaute ich mir die Show nicht bis zum Ende an und ging vorzeitig mit dem Sohnemann auf den Heimweg. Die 45 Minuten, die ich jedoch gesehen hatte, war voller Energie und Power. Wie ich später noch mitgekriegt habe, haben es selbst die Absperrgitter nicht durchgehalten. BBR hielt also Wort und zelebrierten mit ihrem Cover Repertoire einmal mehr einen denkwürdigen Auftritt.

Für mich ging also meine Rocknacht Tennwil Premiere auch zu Ende und es wird bestimmt nicht bei diesem einen Mal bleiben. Top organisiert, superfreundliche Helfer, überall nur glückliche Gesichter und ein Treffen von vielen rockverliebten Fans. Dies alles bei einem mit viel Herzblut ausgelesenen Programm lassen die Rocknacht Tennwil noch lange in Erinnerung bleiben. Vielen Dank an dieser Stelle an Thomas, dass er mir einerseits Tickets zur Verlosung gab, die bestimmt vier Personen glücklich gemacht haben. Andererseits, dass er mich und meinen Sohn ebenfalls eingeladen mit dabei zu sein. Danke auch an Urs der mich doch hin und wieder hinter der Kulisse geduldet hat und mich so näher am Puls hat leben lassen auf eine unkomplizierte Art. Dann natürlich an alle Fans, die eine solche Veranstaltung erst möglich machen und so die Szene weiterleben lassen. Und vor allem an die Bands, die mir viel Spielfreude die Rocknacht Tennwil so grossartig hat werden lassen.