Es ist Mittwoch, ein ganz gewöhnlicher Wochentag gegen Ende September und im Z7 steht was Grosses an. Marko Hietala und Tarja Turunen geben sich die Ehre. Ein Jahr nachdem die beiden nach langer Zeit wieder vereint auf der Bühne standen. Es gab in Finnland zwar schon zuvor ein kleines Zusammentreffen, wird aber nicht so häufig erwähnt. Ich als alter Nightwish Fan, kann da natürlich nicht widerstehen und muss diesem Ereignis beiwohnen, auch wenn es für mich gerade ein sehr hektische Woche ist, aber wie sang Bon Jovi so schön; «I’ll sleep when I’m dead». Dass es dann doch noch ein bisschen weniger Schlaf geben wird als erst veranschlagt, weiss ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht. Da Luzern ja verkehrstechnisch eh immer verstopft ist und jetzt wo die Axenstrasse auch noch gesperrt ist, es nochmals etwas mehr Verkehr hat, mache ich mich frühzeitig auf den Weg und komme dementsprechend tiefenentspannt in Pratteln an. Ein erster Blick zeigt, heute wird es voll werden. Ein Zweiter zeigt, es ist 18:00h, Türöffnung ist durch und trotzdem geht noch nichts. Naja, ich geh dann mal meine Akkreditierung abholen, aber auch dieser Schalter ist noch zu. Der Blick entlang des Musiktempels zeigt gähnende Leere, irgendwas stimmt da nicht. Dann macht es Klick, da steht ja gar kein Nightliner. Naja, es ist das letzte Datum der Tour, vielleicht wurde er schon abgegeben und die Band gönnt sich heute ein Nickerchen im Hotel wenn der Zauber vorbei ist. Weit gefehlt, stellt sich heraus. Die Musiker sind noch gar nicht da, sondern hängen am Schweizer Zoll fest. Tja, die Schweiz ist nicht in der EU und bei uns braucht man Papiere um einreisen zu können, und diese sind nicht vorhanden, wie ich etwas später vernehmen werde. Schreck lass nach, denke ich mit, fällt die geplante Vereinigung dieser zwei Grössen erneut ins Wasser, wie schon diesen Sommer am Summerside? Dann aber fahren ein paar PKW’s vor, die Türen öffnen sich und die Musiker huschen durch die Hintertür rein. Alles, was sie dabei haben, ihre persönlichen Instrumente. An dieser Stelle muss erwähnt werden, dass die Crew des Z7 alle Hebel in Bewegung gesetzt hat den heutigen Abend wahr werden zu lassen. Dazu gehört eben auch die Abholung mit Privatfahrzeugen am Zoll, die Organisation einer kompletten, der Band gerechten Backline, ein Anpassen der Zeitpläne, Arbeitspläne usw. Einmal mehr kann ich sagen, dass Z7 ist nicht nur der Musiktempel der Schweiz, in diesem Tempel werden auch Wunder wahr gemacht. Ich glaube nämlich felsenfest, an vielen anderen Veranstaltungsorten, wäre das Konzert heute abgesagt worden wegen administrativen Versagen.
So aber findet das Konzert heute Abend, zwar nicht wie geplant, statt. Ebenfalls lobenswert, die Vorband muss nicht über die Klippe springen, damit alle Musiker wie geplant ins Bettchen hüpfen können. Und als Vorband mit auf der Tour sind die Westschweizer von Chaoseum. Als ich dann die Band auf der Bühne stehen sehe, bin ich aber schon ein wenig verwundert. Vor neun Monaten, als ich die Band das letzte Mal live sah, war ein Musiker weniger auf der Bühne und erst noch ein anderer Gitarrist. Neu ist anstelle von Loic Duruz, Kevin Sink an der Gitarre und (endlich) steht auch in Form von Finn Broker ein Bassist auf der Bühne. Dies tut dem Gesamtsound der Romands gut und der düstere Sound wird durch viel dunkles und blaues Licht auch entsprechend in Szene gesetzt und wird auch entsprechend goutiert. Auch wenn sie mit ihrem Nu-Metal nicht wirklich ins Gesamtpaket passen, mir hat es einmal mehr gefallen, auch weil die Band halt doch irgendwie heraussticht aus der Masse. Da ist der «jokermässige» CK Smile der stimmlich zu beeindrucken vermag. Ich mag auch wie sich Valery Veigns auf der Bühne darstellt, irgendwie bekommt man da schon fast Angst. Und das intesive druckvolle Spiel von Greg Turini am Schlagzeug braucht in meinen Augen eh nicht erwähnt zu werden. Es ist eine Augenweide ihm zuzuschauen.
Dann aber folgt der erste Höhepunkt des Abends, Marko Hietala. Der Mann den ich seit seinem Weggang bei Nightwish in deren Sound schmerzlich vermisse. Alleine schon mit dem Wissen, dass viele meiner Lieblingssongs der finnischen Symphonic-Götter nicht mehr so vorgetragen werden können, wie sie einmal aufgenommen wurden. Eigentlich müsste man ja meine nach den Vorfällen, die diesem Auftritt vorausgegangen sind, müsste nun ein angepisster unterkühlter Finne auf der Bühne stehen. Dem ist aber nicht so, im Gegenteil. Marko wirkt eher schüchtern auf der Bühne aber redselig (passt das überhaupt zusammen). Er entschuldigt sich für die Verspätung und bedankt sich gleich mehrmals bei der Crew des Z7, die diesen Abend gerettet haben. Stimmlich scheint er wieder einigermassen in Form zu sein, hatte er doch im Verlaufe der Tour noch gesundheitliche Probleme zu bekämpfen. Auch wenn ich seine Ansagen mit Genuss verfolgte, raubten sie der Show ein wenig den Fluss. Dann der erste Höhepunkte, «Left On Mars» wird angekündigt und Tarja Turunen auf der Bühne begrüsst. Ich beginne meine Freudentänze, endlich darf ich es wieder erleben, 20 Jahre nachdem ich die beiden das letzte Mal gemeinsam, unweit von hier, in der Jakobshalle live, zusammen erlebt habe. Eine gewisse Andacht übernimmt meine Gefühlswelt. Es folgt noch «Stones» und Marko wird mit grossem Applaus von der Bühne verabschiedet.
Das Z7 ist sehr gut gefüllt heute Abend, als mit Tarja Turunen der Verkörperung des Symphonic Metals die Bühne betritt. Wer weiss, wieviele Sängerinnen sich durch sie inspirieren liessen und eine Karriere anstrebten, ich denke es sind unzählige, für welche sie das Eis brach. Auch sie zeigte sich unbeeindruckt der Tatsache, dass es heute etwas später Feierabend geben wird und überstrahlt mit ihrem Lächeln einfach alles. Sie hat eine unglaubliche Ausstrahlung und zeigt sich unendlich dankbar hier auf der Bühne stehen zu dürfen. Stimmlich über jedem Zweifel erhaben in der Form des Lebens, würde ich da sagen, den solche Strapazen wie eine Tour verkraftet man nicht so nebenbei und heute ist ja Tourabschluss. Dies zeichnet eine Stimme schon einmal, aber nicht die von Tarja. Dann verlassen ihre versierten Musiker die Bühne und Tarja setzt sich alleine ans Keyboard. Noch bevor sie «Oasis» anstimmt, erzählt sie, dass es einer ihrer ersten selbstgeschriebenen Songs ist und alle ermutigen soll, ihren Träumen zu folgen. Ja das hatte ich in der letzten Zeit immer wieder gehört, von Tarja Soile Susanna Turunen Cabuli (wie sie mit vollem Namen heisst) gesagt und zu sehen, wie ihre Karriere verlaufen ist, kann man da nur zustimmen. Leider sind inzwischen aufgrund der Verschiebung einige die mit den öffentlichen Verkehrsmittel angereisten nicht mehr vor Ort, als die Magie seinen besonderen Lauf nimmt. Marko Hietala betritt die Bühne und singt mit Tarja zusammen den Song «Dark Star». Vom dunklen Stern geht es dann über zu «Planet Hell». Endlich der erste Nightwish Song, ist zwar gemein dies zu sagen, denn das Solomaterial von beiden Künstlern ist ja auch nicht ohne. Aber es sind halt doch einige genau nur wegen diesem Moment gekommen. Es gibt sogar einige die dachten, der ganze Konzertabend würde als Duett ausgetragen werden. Marko verabschiedet sich wieder und mit «I Walk Alone» kommt auch schon die Schlussnummer des regulären Sets. Klar kommt die Zugabe und ich glaube nicht wenige haben nun eigentlich das Phantom der Oper erwartet, den Song, der die beiden vor Jahresfrist zusammen vor der Halle auf der Open Air Bühne vorgetragen haben und vermutlich zu der Initialzündung dieser Tour beigetragen hat. Aber nein, es kommt viel gigantischer, «Wish I Had An Angel» kommt und ich bin im Eskalationsmodus. Es geschieht etwas, was ich schon ewig nicht mehr gemacht habe. Ich zücke mein Handy und filme diesen Moment, und ja ich habe es seither auch schon wieder einige Male angeschaut, ist also nicht nur Digitalschrott bei mir. Es gibt kein Halten mehr, dass ich dies noch einmal erleben darf, ihr erinnert euch vor 20 Jahren habe ich die beiden das letzte Mal diesen Song singen hören. Mit «Until My Last Breath» geht ein langer Abend zu Ende. Ein Abend der dank dem Z7, es kann nicht oft genug erwähnt werden, stattgefunden hat. Wie am Vorabend abgemacht, nehme ich noch Chef-Metalinsider Pam mit nach Hause und verbringe noch eine kurzweilige, mit viel Gesprächsstoff ausgestattete Heimfahrt. Ach ja, der Schnupf im Fotograben während Tarja auf der Bühne steht, geht auch in die Annalen ein.