Das Konzert von Nightwish musste mittlerweile auch schon ein paar Mal verschoben werden. Umso grösser war dann die Freude als mit dem 16. Dezember 2022 doch noch ein Datum in die Welttournee der finnischen Symphonicpionieere in der Schweiz bestätigt werden konnte. Vor zwei Monaten dann der Schock, der dieses Datum nochmals auf wacklige Beine stellte, als bei Floor Jansen Brustkrebs diagnostiziert wurde. Bald darauf die Entwarnung, Operation und Genesungsverlauf verlief positiv und dem Konzert steht nichts mehr im Wege. Heute verlief die Anreise auch gemütlicher als noch vor ein paar Wochen, als ich alleine durch Zürich durch knapp zwei Stunden benötigte. Frühzeitig losgefahren fand ich mich schon zur Türöffnung vor dem Hallenstadion ein. Genug Zeit, um auch noch mit dem Türsteher, denn einen oder anderen Schwatz abzuhalten und dann dem Eintrudeln aller anderen Fotografen entspannt entgegenzusehen. Pünktlich abgeholt von der Medienbetreuung ging es dann rein ins Geschehen. Drei Bands standen heute auf dem Programm, wie es sich zeigen sollte eine gegensätzlicher als die Andere. Was ich aber immer noch nicht verstehe und wohl auch nie verstehen werde, ist diese Golden Circle Geschichte, die leider auch am heutigen Konzertabend den Grossteil des Publikums davon abhielt bei den Vorbands schon vor der Bühne in Stellung zu gehen. Schliesslich kaufen sich die meisten diese Tickets ja für den Genuss der Hauptband, in diesem Fall Nightwish. Aber die kommen ja erst später an die Reihe, zuerst ging es los mit Turmion Kätilöt.

Die Hebammen des Verderbens, so der Name Turmion Kätilöt übersetzt, stürmen pünktlich die Bühne. Ich habe die Band bisher nur vom Namen her gekannt, noch nie live gesehen und auch noch nie reingehört. Es war glaub ich nicht die finnische Sonntagstracht, die die Jungs am Leibe trugen. Geschminkt machten sie eher den Eindruck aus einem Horrorfilm zu entfliehen, der Bandname könnte ja auch für so etwas herhalten. Musikalisch war es dann nicht so düster, im Gegenteil, sie fegten mit einem Mix aus Disco Metal gepaart mit allerlei elektronischem Firlefanz vom Laptop durch die Gehörgänge. Angeführt von den Geburtshelfern MC Raaka Pee und Shaq-U, die sich die Gesangsparts teilten, unterstützt von MasterBates (Bass), DQ (Schlagzeug) und Run-Q (Laptop) die für den Boden und die Beats sorgten, während Bobby Undertaker sich um die Gitarrenriffs kümmerte. Bereits nach dem ersten Song schon, kam die Frage ob jemand finnisch verstehe in der Halle, denn sonst würde man textlich nicht viel mitkriegen. Da ich mich selten um die Texte kümmere, hat es mir natürlich nichts ausgemacht, dass ich nicht eine Silbe von dem finnischen Liedgut verstehe. In die Beine ging das ganze so oder so. Den die ganzen Nintendo Beats waren extrem ansteckend und gingen direkt in die Beine. Ich für meinen Teil habe mit schon gedacht, die Band wäre auch was für den Eurovision Song Contest. Nicht nur die Menge tanzt auch die Band zelebrieren ihre leider dann doch relativ kurze Spielzeit und mit mir haben sie einen neuen Fan gewonnen. Ich steh auf solch schräges Zeugs.

Extrem kurz fiel die Umbaupause zu Beast in Black aus, ich glaube, dass waren keine 15 Minuten. Bis das Finnisch-Ungarisch-Griechische Quintett nach einem Intro zu Blade Runner ins Set startete. Bisher hat die Band drei Alben veröffentlicht und aus allen drei Alben werden je drei Songs geliefert. Der Partyfaktor wurde noch einmal in die Höhe geschraubt. Blade Runner entpuppt sich als idealer Eröffnungssong. Beast In Black in gewohnter überzeugender Spiellaune die nichts anbrennen liessen. Dass sie mit ihrem 80er Jahre geschwängertem, ich verwende den Begriff nochmals, Disco-Metal voll im Trend liegen, zeigen die Veröffentlichungen der letzten Jahre. Immer mehr Bands bedienen sich den, für die Musik, überaus wichtigen 80er Jahre. Einzig die Fönfrisuren fehlen da noch. Auf Blade Runner folgt einer meiner liebsten Songs der Band, From Hell With Love. Yannis Stimme ist einfach unglaublich, auch wenn sie mit der Dauer des Sets ein wenig nachlässt, wie ich zumindest bei Blind And Frozen dann bemerkte. Er singt einfach in einer anderen Sphäre. Fürs Posieren sind Beast in Black schon immer gut gewesen und bieten den Fotografen auch beim namensgebenden Song ausnahmslos einwandfreie Sujets zum Knipsen. Die müssen ein Skript haben für jeden Song, spontan kann dies nicht mehr sein. Aber auch dann noch, immer ein Dauergrinsen auf dem Mundwinkel, auch bei jedem Solo, Gitarrenschwenker wie man sie eigentlich nur von Status Quo kennt. Es ist eine wahre Augenfreude den agilen Jungs auf der Bühne zuzuschauen. Auffällig immer wieder auch Schlagzeuger Atte, ich habe noch selten einen Drummer gesehen, der mit so viel Spielfreude und Leidenschaft hinter seiner Schiessbude sitzt und sich durch das Set spielt, die Drumsticks zum Fliegen bringt und auch zielsicher wieder auffängt, grosses Kino. Zürich bekam erneut eine Band in bester Spiellaune zu sehen. Yannis verschwindet zwar immer wieder mal hinter der Bühne stürmt dann aber wie ein Berserker auf den Punkt genau zurück und wirbelt wie ein Derwisch über die Bretter, die die Welt bedeuten. Nach Blind And Frozen dann noch die Ankündigung, dass man ab ca. 22:00h am Merch Stand bereitwillig für Autogramme und Selfies bereitsteht, habe ich im Hallenstadion auch noch nicht alle Tage mitgekriegt. Dann kommt mit The End Of The World auch schon die letzte der neun Nummern, enttäuscht war wohl niemand von diesem Auftritt.

Danach war die Reihe an Nightwish. Erneut gab es eine relativ kurze Umbaupause und dann eine ausführliche Einweisung durch die örtliche Security. Da hiess es erst kommt der Vorhang runter, dann gibt es ein paar Pyros, dann einen Knall, danach dürfen wir, die Fotografen in den Pit. Beim dritten Song soll es dann erneut Pyros geben. Also genau so wie man es sich wünscht und man weiss, woran man ist. Ein Nightwish Konzert ist für mich immer ein Höhepunkt und ich sehe sie nun bereits zum 11. Mal in ihrer Karriere und habe alle ihre Wechsel miterlebt. Von den Gründern sind nur noch Tuomas Holopainen und Emppu Vuorinen übrig. Die Wechsel am Mikrofon wurden bisher immer am meisten kritisiert und nicht wenige sehen Tarja als einzig wahre Nightwish Sängerin. Ich für meinen Teil fand die Phase mit Anette Olzon die beste und hatte meine Eingewöhnungszeit mit Floor Jansen. Letztlich ist aber Floor genau die Sängerin die Nightwish brauchen. Sie bringt die alten Sachen wie auch die neuen Songs so wie ich sie gerne höre. Zudem erfand die Band sich über Jahre auch immer ein wenig selber ohne je aus ihrem Gefilde ausbrechen zu müssen. Mit dem letzten Album Human. :II: Nature. hatte ich anfangs meine liebe Mühe, mit dem mehrmaligen Anhören fand ich aber immer mehr Gefallen daran. Die Songs sind komplexer, progressiver geworden und heute soll es sich also nun endlich zeigen, wie sie im Liveset bestehen können. Ich schaute mir in der konzertlosen Zeit auch ihr Streaming Konzert an, die Begeisterung damals hielt sich aber schwer in Grenzen. Nightwish musste mich heute also erneut aufs Neue überzeugen. Der Einstieg in die Show ging genau so vonstatten, wie wir eingewiesen wurden, und nachdem das Intro beendet wurde, stieg man gleich mit Noise ins Set ein. Schnell war klar, Dreh- und Angelpunkt der Show wird Floor Jansen sein. Hinten auf einer erhöhten Bühne platzierten sich, von Links nach Rechts, Kai Hahto am Schlagzeug, in der Mitte Nightwish Mastermind Tuomas und dann Multiinstrumentalist Troy Donockley. Vorne eher immer im dunklen Bereich der Bühnenseiten, Neuzugang Jukka Koskinen am Bass und Gitarrist Emppu Vuorinen. Eine grosse LED-Wand zeigte über die komplette Show aufwendig produzierte Videoclips. Floor betrat die Bühne mit einem breiten Grinsen auf dem Gesicht, man sieht ihr an, wie glücklich sie ist endlich wieder live auftreten zu können. Nach Noise folgte Storytime und die Scheinwerfer bleiben hauptsächlich auf Floor gerichtet, die es sichtlich geniesst die Bühne als ihre eigene Tanzfläche benutzen zu dürfen. Hat auch mal genügend Platz sich headbangend auszutoben. Dann mit Tribal der nächste neue Song aus dem letzten Album und wie angekündigt kommen hier zum ersten Mal massig Pyros zum Einsatz. Die Flammensäulen schiessen vor und hinter der Band an die Decke des Hallenstadions, Nightwish sind wieder im Element, so wie ich sie kenne. Ab diesem Zeitpunkt scheint die Gas Krise in den Hintergrund gerückt zu sein. Der Techniker am Auslöser hat einen lockern Finger, wenn er Flammen und auch die CO2 Säulen Knöpfe bedient. Mittlerweile auf dem Medienplatz sitzen, spürt man die Hitze bis unters Dach. Das mit etwas 9500 Zuschauern gut gefüllte Hallenstadion tobt bei den folgenden Songs der Setliste und im Golden Circle vergisst man definitiv die Kälte, die vor der Tür des Stadions herrscht. Dann folgt für mich der Dämpfer, den ich erwartet hatte. I Want My Tears Back, der Song ist richtig geil, aber leider ohne Marco Hietala am Bass mit seiner Stimme entfesselt er einfach nicht mehr die Magie. Der Ausstieg von Marco kann die Band zwar verkraften, aber leider hinterlässt er mehr Spuren als jeder andere Wechsel am Mikrofon. Auf Songs wie I Wish I Had An Angel verzichtet man aus diesem Umstand vermutlich absichtlich, denn zu gross sind die Fussstapfen, die er hier zurücklässt. Zudem geht mit Marco auch ein Aktivposten auf der Bühne verloren. So entpuppt sich ein Nightwish Konzert mehr und mehr zu einem Floor Jansen und Band Gig. Zu passiv sind die beiden Saitenzupfer, zu sehr im Hintergrund. Nicht selten, wenn Floor gerade einmal nicht auf der Bühne steht, spielt sich das Geschehen sehr statisch auf dem hinteren Riser ab. Wären da nicht die aufwendigen Videoelemente und Pyros, verkäme die Show fast zu einem konzentrierten Studioaufenthalt. Aber es ist nun mal so wie es ist, die Songs mögen noch immer zu bestechen, zünden aber hauptsächlich durch Floors souveräne Art und Weise. Einen sehr intimen Moment dann als Our Decades In The Sun in einem akustischen Gewand zelebriert wird, was zu einem Hühnerhaut Moment führt, grossartig was Floor und Troy da praktizieren. Troy erwähnt zum Schluss dann noch, wie gefährlich Zürich ist. Die Band befand sich schon am Vortag in Zürich und hatte dort ihre gefährliche Erfahrung mit dem Glühwein gemacht. Tja, dass hat man davon, wenn man zur Weihnachtszeit in der Schweiz weilt. Troy lässt es auch nicht aus, dass Nightwish Publikum als das intelligenteste Publikum zu erwähnen, da man ja schliesslich wisse, was niemand auf lateinisch heisst; richtig Nemo, was dann auch gleich folgte. Dann für mich der unerwartete Höhepunkt der Show. Bei Shoemaker zeigt Floor auf äusserst eindrückliche Weise, was in ihrer Stimme steckt, was die Niederländerin gegen Ende des Songs abzieht, lässt keinen kalt, diese Stimmlagen unglaublich. Wer dies erlebt hat, vergisst eine Tarja im Handumdrehen, dies war absolute Weltklasse. Nach Last Ride Of The Day (wieder mit enormen Pyroeinsatz) und Ghost Love Score geht es bereits zum letzten Song über, der die Greatest Show on Earth ausklingen lässt, und dies in voller Länge. Mit den bekannten „We Were Here“ Videoeinblender, auf der sich auch Alexi Laiho in Grossformat einschleicht, einem der besten Gitarristen, der leider zu früh gehen musste.

Nightwish zeigten erneut, weshalb sie zu den grössten in ihrem Bereich zählen. Leider lässt sich der Abgang von Marco jedoch nicht kompensieren, auch wenn Troy die Parts von ihm übernimmt, so denke ich wird man in Zukunft auf die Songs mit Marco mehr und mehr verzichten müssen. Zu gross sind seine Trademarks, die er hier gesetzt hat. Das neue Album ist bereits fertig geschrieben, eine Veröffentlichung soll 2024 stattfinden. Letztlich war es ein grossartiger Konzertabend mit drei unterschiedlichen finnischen Bands der richtig Spass gemacht hat. Ich habe mit Turmion Kätilöt eine Neuentdeckung erlebt, Beast in Black in wie immer überzeugender Form und mit Nightwish meine Lieblingsband, die mit Abstrichen, mich wieder voll und ganz packen und fesseln konnten.