Endlich, sagen einige, geht es wieder los mit den Festivals nach zwei Jahren Sperrphase. Obwohl ja nicht ganz, die geübten Festivalgänger konnten sich auch im letzten Jahr bei ein paar kleineren Festivals bedienen. Aber ja, die Grossen blieben aussen vor. So wird die Reanimation der Festivalszene traditionsgemäss in Interlaken mit dem Greenfield Festival durchgeführt, welches passenderweise sich genau auch als The Reanimation bemerkbar macht. Dem grössten Festival in der Schweiz wenn es um harte Gitarrenmusik geht. Von der Pandemie spührt man vorerst nichts mehr, wieso vorerst? Dazu komme ich dann später noch. Mit 84’000 Zuschauern über die drei Tage verteilt, gab es sogar einen neuen Besucherrekord. Der  Wettergott muss sich jedoch noch ein wenig justieren, denn der Donnerstag war dann doch immer wieder nass. Auch gab es auf dem Gelände ein paar Änderungen, sowohl im Infield als auch auf dem Campground. So kam zum allseits beliebten Mittelaltermarkt jetzt noch die Mad Max Endzeitfraktion auf ihre Kosten in Form der „Shelter 666“. Im Infield wurde der komplette VIP/Member und Pressebereich auf die andere Seite verlegt, da der Hangar nicht mehr genutzt werden konnte. Ich nutzte die Anreise am Mittwoch schon mal dafür meinen Festivalpass abzuholen und mich dann auch gleich ins Getümmel zu werfen. Es reisten doch schon beachtlich viele am Mittwoch an und nutzten die Zeit um sich im bereits geöffneten Mittelaltermarkt und der Partyzone zu vergnügen. Kurz gesagt es war schon mächtig was los auf dem Gelände.

Der Festival Donnerstag

Traditionsgemäss eröffnen die  Alphornbläser in ihren Trachten das Festival pünktlich um 14:00h und wecken Interlaken aus dem Winterschlaf für das erste Festival in dieser Dekade, eigentlich verrückt wenn man bedenkt, dass 2019 das letzte Mal hier gerockt wurde. Und wie immer bei den Alphornbläser geht hier eigentlich die Party schon los. Erst wird gerudert um dann beim zweiten Stück bereits die erste Wall Of Death zu formieren die dann nahtlos übergeht in einen Moshpit. Als Highlight spielen sie dann noch den Patent Ochsner Hit W.Nuss von Bümpliz. Ehrlich gesagt war diese W.Nuss eher ein Weh.Genuss, da ist mir der Toten Hosen Hit, Tage wie diese, besser in Erinnerung, die W.Nuss war dann doch eher im Bereich der Guggenmusik anzusiedeln. Aber wer schon einmal in ein Alphorn geblasen hat, weiss so einfach wird das nicht gewesen sein.

Richtig los legen dann Skindred, die 1998 in Wales gegründete Reggae Metal Band fällt schon durch die Extravaganz von Sänger Benji Webbe auf, knalliger geht schon fast nicht mehr. Leider muss er sich aber erst einmal mit technischen Problemen auseinanderschlagen und so geht der erste Song fast acappella zu Ende, bis er ein funktionierendes Mikrofon bekommen hat. Mich erstaunt, dass die Band so früh im Billing, also eigentlich als erste Band des Tages aufspielt, denn was die Jungs da zelebrieren gehört eigentlich weiter nach hinten, sprich später am Tag auf die Bühne. Aber so ist natürlich schon einmal von Anfang an Stimmung in der Hütte. Benji weiss auch wie die er die Leute zum Ausziehen bringen kann. Auf einmal schwingt ein beachtlicher Teil der Zuschauer vor der Bühne unter Benji’s Regie ihre T-Shirts über den Köpfen.

Me First And The Gimme Gimmes sind erst gerade vor knapp einer Woche bestätigt worden, nachdem doch einige Bands ihre Auftritte am Greenfield absagen mussten. Eigentlich sollten Sie bereits 2019 auftreten, leider verhinderte ein Sturm damals ihren Auftritt und deshalb finde ich es nicht mehr als richtig, dass sie die Gelegenheit bekommen haben. Das Künstlerkollektiv bestehend aus einigen namhaften Musikern aus namhaften Bands kann man nicht all zu ernst nehmen. Sie sind eigentlich eher eine Coverband des schlechten Geschmacks die aber für Stimmung zu sorgen vermögen. Sie schrecken echt vor nichts zurück und bedienen sich querbeet einfach überall. Da muss alles dran glauben, von Johnny Cash bis John Denver, sogar Paula Abdul’s Straight Up kommt zu Punk Ehren. Also die Stimmung vor der Hauptbühne ist schon mal richtig gut, obwohl es immer wieder einmal ein kleiner Nieselregen gibt, und ich die musikalische Leistung doch eher dürftig fand. Achja und das Intro mit der Ukulele spielte Frontkaspar Spike Slawson auch gleich selbst.

Akne Kid Joe sind ebenfalls erst gerade bestätigt worden. Mir war die Band bisher gänzlich unbekannt. Aber ihr Täuschungsmanöver scheint nicht zu gelingen. Denn mit dem Backdrop kündigen sie sich als Oasis an, da wäre ich definitiv nicht vor der Bühne gestanden, Oasis lieferten wohl eines der schlechtesten Konzerte, welches ich je gesehen habe. Akne Kid Joe spielen, und das lässt der Name schon vermuten, deutschen Punkm dies nicht schlecht und witzig. Auch die Ansagen wie, wenn eine Mensch von einem Hai angegriffen wird, kann es durch aus sein, dass der Mensch zu Schaden kommt, sorgen schon mal für einen Lacher. Ich bin dann aberd schon frühzeitig wieder zur Hauptbühne gegangen, bevor ich selbst zu Schaden kommen. Denn ich hatte mir schliesslich vorgenommen alle Band zu fotografieren.

Aus Manhatten, genauer von der Lower East Side, kommen Gogol Bordello. Die Band kam sogar schon zu Filmehren mit Frodo Elijah Wood, neben Wood hatte der ukrainischstämmige Frontmann Eugene Hütz sogar eine Hauptrolle. Der Film hiess übirgens „Alles ist erleuchtet“.  Erleuchtet war der Himmel noch nicht, regnete es doch immer wieder mal leicht. Die Band liess sich davon nicht beirren und gab Vollgas. Auf dem Backdrop war mit grossen Lettern „Solidaritine“ zu lesen, zusammen mit dem Logo in Eugene’s Heimatsfarben. Nur fühlte ich mich eher angefeindet als solidarisch versöhnt. Eigentlich treffend, dass ich im Vorfeld noch eine Diskussion mit Pam vom Metalinside hatte, in welcher wir darüber gesprochen habe, wie weit eine Band gehen darf mit verbalen Ausbrüchen und Gesten. Genau eine solche «Mittelfinger sollte man dem zahlenden Publikum nicht zeigen» Geste kaum dann prompt beim ersten Song von der Bühne. Die verbalen Motherfucker Beschimpfungen setzten dann noch das ihre dazu. So dass ich doch über Pam’s Worte selbst beim Schreiben dieser Zeilen nachdenke.

Bühnenwechsel ist wieder angesagt und es geht runter zur Eigerstage. Mass Hysteria laden zur Massenhysterie ein. Die Franzosen haben schon 25 Jahre auf dem Buckel und in ihrer langen Karriere auch schon auf allen grossen Bühnen wie dem Hellfest oder dem Sonisphere gespielt, um nur einige zu nennen. Und sie legen sich mächtig ins Zeug. Für mich klar eine Band die eigentlich auf die grosse Bühne gehört hätte. Spielfreudig und dankbar ihren ersten Auftritt am Greenfield Festival zu haben.

Die Electric Callboy’s haben ein bewegtes Jahr hinter sich. Erst haben sie den Namen von Eskimo Callboy auf eben Electric Callboy gewechselt um der wiederholten Kritik um ihren Namen einmal ein Ende zu setzen. Dann nahmen sie auch noch einige Songs die kritisiert wurden von den Streaming Plattformen. Und zu guter Letzt durften sie nicht zum ESC Vorentscheid in Deutschland antreten, da ihr Song «Pump It» angeblich nicht radiotauglich genug war. Naja Deutschland hat ja dann bewiesen wie es mit dem letzten Platz an einem Musikwettbewerb so geht. Aber dies alles ist Schnee von gestern. Genau mit „Pump It“ legten sie sportlich die Messlatte ziemlich hoch, die Turnstunde hat begonnen. Im geschmacklosen 80er Jahre Turndress (trugen wir tatsächlich sowas, damals) mit Perücken starten sie mit ihrem Ballermann Metal und haben das Publikum schon im Griff bevor es eigentlich richtig los geht. Eskalation pur vor der Bühne, für mich schon einmal ein erstes Highlight und eine Setlist vom Feinsten.

Eigentlich wären jetzt Lagwagon auf der Eiger Stage gestanden, aber vorgestellt wurde nur deren Sänger Joey Cape. Der Rest der Band liegt zusammen mit einem defekten Tourbus irgendwo zwei Stunden vor Interlaken am Strassenrand. Joey greift somit zur akustischen Gitarre und spielt ein akustisches Set. Völlig ungewohnt für das Greenfield aber wie ich finde, ein netter Farbtupfer, der doch ein wenig Entspannung aufkommen liess. Zudem ist es eigentlich ganz gut angekommen, wenn man den Gig nach der Anzahl der Personen beurteilt die bedächtig vor die Bühne kamen und auch blieben.

Zurück auf der Jungfrau Bühne kommen meine Lieblingsprediger aus dem Saarland zum Zuge. Powerwolf ist angesagt und mit dabei natürlich Prediger Attila. Nur was ist den los mit dem grauen Wölfen an den Gitarren, da standen nicht Matthew und Charles. Attila klärte schon bad auf, die beiden liegen krank zu Hause. Eine Band dieser Liga sagt aber keine Konzerte ab, sondern bedient sich in der zweiten Reihe, oftmals sind es die Gitarrentechniker. Bei Powerwolf habe ich bei der Vorstellungsrunde dann aber zuwenig aufgepasst. Pyros, Weihrauch und Kelch, alles war dabei, nur der berühmte Funke sprang nicht auf mich rüber. Falk war sichtlich bemüht, während seinen Bühnenrandausflügen für Stimmung zu sorgen, aber irgendwie war es das nicht. Kann aber auch sein, dass die Sprüche von Attila Dorn mittlerweile zu abgedroschen sind, für einen wie mich, der die Band nun doch auch schon ein paar Mal gesehen hat. Metal is Religion und so gestalten die Jungs eine Power Metal Messe mit Weihrauch und Kelch, wie es sich gehört und die Kirchgänger wurden im Kirchengesang unterrichtet, der meines Erachtens doch etwas ausufernd war und ebenfalls den Fluss aus der Performance nahm. Ein solider Auftritt zwar, aber nicht mehr und nicht weniger.

Stick To Your Guns sind auch am Greenfield immer wieder gern gesehene Gäste und waren bereits 2018 schon hier. Ihr Hardcore gepaart mit extrem eingängigen Refrains machen einfach gute Laune. Die Kalifornier wirbelten umher und waren kaum eine Sekunde am Platz. Ausser Gitarrist Joshua James, der musste sich zügeln, spielte er doch mit einer Halskrause. Wer ihn ohne Halskrause sehen möchte wird sicher schon bald wieder die Gelegenheit bekommen. Spielen Stick To Your Guns doch fast jährlich mehr als einmal in der Schweiz

Auch The Offspring waren schon mehrmals in Interlaken zu Gast, zuletzt 2018. Insgesamt ist es bereits ihr fünfter Auftritt in der von allen Musiker immer wieder erwähnten, schönsten Kulisse wo sie bisher gespielten hatten. an der Pressekonferenz zwei Tage später wurde und vom Booker mitgeteilt, dass die Leute immer wieder die gleichen Bands nach Interlaken wünschen. Mag sein, aber The Offspring sollte man echt einmal von der Liste streichen. Die letzte Platte war nicht der Hammer und ihre besten Tage liegen schon Jahre zurück. Schon vor vier Jahren ist mir ihr unmotivierte Auftritt aufgefallen. Eigentlich traurig, wie hier ein paar ältere Herren ihre High School Punk Hymnen, die einfach jeder kennt und zum bewegen animiert, bemerkenswert bewegungslos und lustlos ins Publikum schmettern. Ich sag dem Bewegungslegasthenie, wie kann man so regungslos am Ort bleiben, wenn man solche Partysongs geschrieben hat, es ist mir unerklärlich. Für schlappe 35 Millionen haben sie vor ein paar Jahren ihre Rechte an den Songs verkauft. Und genau so kam mir der Auftritt vor, ich habe ja meine Rente auf sicher, wie soll ich mir denn noch einen Finger krumm machen. Die Tatsache, dass es genau in dem Moment als The Offspring die Bühne betrat ziemlich stark zu regnen begann, war wohl auch ein Zeichen des Himmels, sogar der weinte.

Danko Jones macht den Abschluss auf der Eiger Stage und der Kanadier zieht alle Register die zu einer amtlichen Hard Rock Show gehören. Richtigerweise ist das Fell des Schlagzeuges mit Powertrio beschriftet und dies drückt es eigentlich ganz gut aus. Die drei Herren drücken ganz schön aufs Gas mit ihrem Rock ‘n’ Roll und dies wird auch mit reichlich Publikum vor der Bühne belohnt. Danko Jones würdige die Anwesenden auch, da sie dem Regen zu Trotz eine Party feiern wollten. Leider konnte ich wie eigentlich bei allen Bands, sein Set nicht bis zum Ende anhören und wechselte auch schon wieder die Bühne um den Headliner des heutigen Abend

Korn gehören zu den wenigen Bands auf dem Planeten die gleich mit Album Nummer 1 eine neue Welt erschaffen haben. Sie haben eine Stilrichtung neu erfunden, 40 Millionen Platten verkauft und so ganz nebenbei auch zwei Grammys abgeholt. Sie sind gegenüber dem Original-Lineup von 2020 auch die Band, die damals nicht als Headliner auf dem Billing gewesen waren. Damals wurden Nightwish aufgeführt und ich glaube auch Nightwish hätte die Sache anders gerockt. Korn sind zwar spielerisch absolute Ausnahmekönner und Jonathan Davies führt gekonnt durch das Programm. Aber irgendwie scheint der Funke nicht komplett zu springen. Ich bin noch selten so schnell vom Fotograben aus in den hinteren Teil gekommen, wie bei Korn. Woran es gelegen hat, keine Ahnung die Band ist wie gesagt spielerisch top, ihr Stageacting ist durchaus ansprechend, die Show exzellent. Aber vielleicht ist die Musik einfach doch zu komplex um als Headliner durchzugehen. Nach einer Stunde Spielzeit habe ich mich dann auch von dannen gemacht und mir den Rest noch auf meinem Heimweg angehört.

Alle Bilder werden hier laufend und auf meiner Facebook Seite veröffentlicht, also immer schön dran bleiben.