Der Freitag bekommt einen ganz anderen Stellenwert, wenn man früh am Morgen bereits die Kameraausrüstung bereitstellt und mit ins Geschäft nimmt. Da kann im Geschäft eigentlich kommen was will, die Vorfreude auf den Abend trübt dies dann nur ganz wenig. So auch diesen Freitag, schliesslich steht mit der Nordic Power Metal Titans Tour eine Co-Headliner Tour schon seit längerem im Familienplaner ein Termin, der mich bei der Ankündigung dieses Packages schon kribbelig werden liess. Da zudem die Türöffnung im Z7 schon relativ früh auf 18:00h angesetzt ist, maloche ich heute auch nicht meine übliche Zeit und mache mich sehr zeitig auf den Weg nach Pratteln. Schliesslich hatte ich die letzten Male immer rund um Luzern ein verdammtes Puff angetroffen. Heute meint es der Verkehrsgott aber gut mit mir und lässt mich ungebremst durch. Auch der Unfall nach Egerkingen kann mir noch nichts anhaben, was eine halbe Stunde später schon ein wenig anders ausgesehen hätte. So treffe ich vor dem Musiktempel ein, als drinnen Stratovarius im Rahmen des Soundchecks gerade noch Paradise durchspielt, was für eine Begrüssung. Die drei Bands Induction, Sonata Arctica und Stratovarius haben auch die Vorverkaufszahlen ziemlich angekurbelt, bereits vor Türöffnung werden die Absperrgitter des Aussenbereiches verschoben und somit das Areal vergrössert, es wird also voll heute. Wie ich später vernehmen werde, sollen 1400 Power Metal Fans vor Ort sein, es ist also Gruppenkuscheln angesagt.

Pünktlich um 19:00h geht es dann auch schon los mit Induction. Diese noch relativ junge Band bekommt eine halbe Stunde Spielzeit und muss deshalb auch nicht zwingend auf den Energiehaushalt achtgeben. Entsprechend gross ist der Bewegungsdrang der Truppe. Ich gestehe, einmal mehr hatte ich mich natürlich wieder sehr ungenügend auf diese mir noch nicht bekannte Band vorbereitet. Das Einzige, was ich weiss ist, dass Gitarrist Tim Kanoa Hansen der Sohnemann des legendären Helloween und Gamma Ray 6-Saiter Kai Hansen ist. Die Power Metal Gene hat er also schon von Geburt an in sich aufgenommen. Mit Born From Fire geht es also furios los und siehe da, den Typen am Mikro kennt man ja auch. Antonio Calanna (All For Metal, ex-DeVicious) übernimmt den Gesangspfosten, auch bekannt als Mikroständer. Wie ich dann im Nachgang gesehen habe, muss er wohl eingesprungen sein, denn auf der Webseite der Band ist nicht als Bandmitglied aufgeführt, wie auch Gitarrist George Thanasoglou nicht. Originalsänger Craig muss leider den ersten Teil der Tour aussetzen und wird erst im November zur Band stossen. Gitarrist Marcos Rodriguez, der üblicherweise bei den Jungs spielt musste sich im Sommer eine Auszeit nehmen und wird irgendwann auch wieder dazustossen. Aber Induction haben eine Goldhand bewiesen mit den «Ersatzleuten», denn man merkt zu keiner Sekunde an, dass hier am Personenkarussell gedreht wurde. Die Band ist top eingespielt und ziehen eine gewaltige Show ab. Die Stimmung im Z7 ist bereits jetzt schon kurz vor dem Siedepunkt als der leider viel viel zu kurze Auftritt nach fünf Songs beendet wird. Wie mir Schlagzeuger Andi Rohde am Wochenende noch schreibt, soll Induction bereits im Februar wieder in der Schweiz sein. Also unbedingt Ausschau halten nach dem Termin, die Jungs haben gute Zukunftsaussichten.

Die kurze Umbaupause wird dann auch für den einen oder anderen Schwatz genutzt und ja auch geschnupft wird wieder, soviel Sucht muss sein. Die Co-Headliner Nordic Power Metal Titans Tour wird aber zügig fortgesetzt, man hätte das Wort «Nordic» auch mit «Finnish» austauschen können. Den die beiden nächsten Band stammen beide aus dem Land der tausend Seen. Sonata Arctica trudeln so langsam auf die Bühne, die heute sehr aufgeräumt daherkommt. Viel Platz für die Musiker, das Schlagzeug von Tommi Portimo am linken Eck auf dem Drumriser und der Keyboardturm von Henrik Klingenberg auf der rechten. Davor und in der Mitte viel Platz zum rumwirbeln. Rumwirbeln hätte man können, aber im Gegensatz zu den Jungspunden von Induction ist bei Sonata Arctica weit weniger Bewegung drin. Zwar läuft Sänger Tony Kakko immer wieder rum, aber die Hummeln im Arsch wie bei der Vorband sind hier definitiv nicht so aktiv am Werk. Henrik Klingenberg bewegt sich zwar mit seiner Keytar schon einmal nach vorne, Gitarrist Elias Viljanen bleibt aber mehrheitlich auf seinem zugewiesenen Platz und auch Bassist Pasi Kauppinen lässt seine Mähne mehr oder weniger vor Ort der Schwerkraft ausgesetzt. Immerhin ist er für die eine oder andere Grimasse zuständig. So aber ist klar, Dreh- und Angelpunkt ist klar Tony Kakko und ehrlich gesagt ist mir die Qualität des Sounds auch ein wenig wichtiger als ewiges Rumgehopse, obwohl für die Fotos es halt einfach interessanter ist. Die Finnen sind halt nun mal ein wenig reservierter. Das Publikum heute feiert aber jeden Song von Beginn an ziemlich ab und lockt vor allem Tony immer wieder ein Lächeln ins Gesicht und zeigt sich auch von der kommunikativen Seite. Mit viel Witz und Charme führt er durch die 75 Minuten, die wirklich wie im Fluge vergehen. Kaum angefangen ist mit Don’t Say A Word auch schon der Schlusspunkt da. Zwischendurch natürlich gibt es eine Retrospektive über das Schaffen der Band aus Kemi. Ganze sieben Alben werden mit diesen 12 Songs bedient und also Bonus gibt es mit First In Line auch noch eine neue Nummer. Ein sehr souveräner Auftritt hier im Z7, wo Sonata Arctica nun bereits schon ganze 16x gespielt haben, wie uns der Sänger verratet. Die Androhung wieder zu kommen, den mit einem neuen Album, wird es auch neue Konzerte geben, nimmt vermutlich jeder der Anwesenden gerne in Kauf.

Mit Stratovarius folgt nach rund 30 Minuten Verschnaufpause die Band, die massgeblich dafür verantwortlich ist, dass ich damals vor ewiger Zeit mich dem Power Metal erstmalig hingegeben habe. Es ist also durchaus schon fast eine emotionale Bindung, die mich mit ihnen verbindet. Die Frühwerke (bis und mit den beiden Elements) sind allesamt für mich sowas wie Referenzwerke des Power Metal, da musste man erst einmal vorbeikommen an diesen Götteralben. Auch wenn von der Gründungsbesetzung von 1986 keiner mehr mit an Bord ist, die beiden Langzeitmitglieder Timo Kotipelto und Jens Johansson haben das Schiff gelungen durch auch stürmische Zeiten gelenkt. Zudem ist den Finnen mit dem letzten Album «Survive» wieder ein Wurf gelungen, der an die Glanzzeiten anzuknüpfen vermag. Mit genau dem Titelsong des Albums geht es dann auch los, bevor «Eagleheart» gleich den Dampfkochtopf Z7 überkochen lässt. Was fällt denen ein diesen Song schon zu spielen, während ich noch im Fotograben bin, wer bitte schön bringt dann noch ein halbwegs vernünftiges Bild hin. Ich nicht, ich dreh nämlich schon im oberen Drehzahlbereich, so geil ist es. Und dann auch noch gleich «Speed Of Light» hinterhergeliefert. So die drei Fotosongs sind durch und ich verstau zu «Paradise» schon die Kameras, ohne Rücksicht auf Gehörverlust muss ich den Song einfach lauthals mitsingen. Gut zwischendurch kann ich dann auch wieder ein wenig runterfahren oder mich auf die erhöhte Betriebstemperatur gewöhnen, vielleicht auch deshalb, weil ich ein wenig Kühlmittel oral einflösse. Ich zieh mich dann ein wenig in den hinteren Bereich zurück, schliesslich wartet da noch eine Schnupfdose inklusive schnupfwilligen Kollegen: innen. Zwischendurch kann ich so aber auch dem Sound wieder mit etwas weniger Ekstase zuhören und bemerke halt leider auch, dass Timo die wirklich hohen Passagen von Black Diamond nicht mehr ganz so sauber trifft wie auch schon. Dabei ist er ja noch ein Jahr jünger als ich. Okay zur Verteidigung, müsste ich in dieser Tonlage singen, würde es wohl eher wie ein abgestochenes Schwein klingen, dass wollen wir dann wohl niemandem antun und so halte ich dann bis zum abschliessenden Übersong «Hunting High And Low» meinen Schnabel, da leg ich mich aber nochmals ins Zeug. Auch hier sind die 75 Minuten Spielzeit viel zu schnell vorbei, dabei hätte ich noch einige Songs auf der Wunschliste gehabt. Es gibt halt so einiges, was sich in über 35 Jahren Karriere ansammelt an Hits.

Völlig zufrieden entlassen drei sackstarke Bands die 1400 Besucher in die Nacht. Ich glaube, wer heute nicht zufrieden in die Federn geht, der muss vermutlich eh zum Notarzt. Genauso wie der junge Mann, der im Anschluss noch zu uns rüberkam und nach einem Snus fragte. Er war zwar sehr begeistert, dass in unserer Runde doch tatsächlich einer abkömmlich war, nur die Kopfschmerzen, welche er am anderen Tag wohl haben wird, sind damit auch nicht zu bekämpfen. Auf dem Weg aus dem Z7 schlendere ich noch kurz am Merchstand vorbei und sehe wie Induction bereitwillig alles unterschreiben was es zu unterschreiben gibt und bereitwillig auch das eine oder andere Selfie machen. Der Tagessieg geht für mich an Induction. Der Nachwuchs tritt den Altmeistern in den Arsch. Sie zeigen sich in ihrer halben Stunde von der Schokoladenseite. Offenbaren eine Spielfreude ohne Ende und zeigen sich publikumsnah. Sänger Antonio wagt sogar den Ausflug in den Fotograben, obwohl dieser schon voll war. Das Songmaterial passt und macht definitiv Lust auf mehr. Zudem waren sie nicht einmal in ihrere „Original“-Besetzung am Start.