Ich bin heute zum ersten Mal in der Stockhorn Arena in Thun. Anlass ist der einzige Festivalauftritt von Volbeat in der Schweiz. Ich habe mich anfänglich noch ein wenig gewundert, weshalb man eigentlich die Dänen nach Thun bucht. Haben wir doch genügend Fussballarenen die bisher jeweils mit Konzerten belegt werden. Aber jetzt wo ich da war muss ich sagen, dass dies gar nicht so eine schlechte Wahl war. Verkehrstechnisch gleich bei einem Autobahnanschluss gelegen und vom Bahnhof aus gehen alle zehn Minuten Busse zum Stadion. Für mich der aus der Zentralschweiz mit dem Auto angereist ist, waren es etwas mehr als 90 Minuten entlang der imposanten Bergwelt des Berner Oberlandes. Dies ist in etwa gleich lang wie wenn ich nach Basel fahren müsste. Zudem hatte ich auf der gesamten Strecke keinen Stau. Also meine anfänglichen Bedenken sind relativ schnell verflogen und für mich stellt die Stockhorn Arena ein idealer Standort für Konzerte dar. Es dürfen von daher ruhig in Zukunft vermehrt Festivals dort stattfinden.

Der Schwerpunkt liegt heute bei der Musik. Volbeat haben eingeladen und im Gepäck bringen sie auch einige weitere hochkarätige Bands als Vorgruppen mit. Da sind mit Amorphis, den Beatsteaks und Flogging Molly Bands mit dabei, die allesamt selber schon Headlinerstatus haben und so einem noch grösseren Publikum zugänglich gemacht werden. Deshalb war es auch ein wenig verwunderlich dass nur gerade etwa 10’000 Besucher den Weg nach Thun gefunden haben. Es hätten locker noch ca. 5’000 Personen reingepasst. Vielleicht liegt es am Konzertüberangebot der Schweiz, oder halt dass es an einem Mittwoch stattfand und viele am Folgetag wieder zur Arbeit raus müssen. Man hat es aber geschickt gemacht und nicht gleich den ganzen Rasen freigegeben sondern gleich mal mit den Food- und Merchandisingständen abgegrenzt. In meine Augen ein wenig zu knapp. Den wer essen wollte musste sich in eine Schlange begeben die sich gleich mit den Zuschauern vermischte. So aber war natürlich das Infield komplett gefüllt und von oben hat man eigentlich während des Auftrittes von Volbeat nichts mehr vom Boden erkennen können.

AMORPHIS

Eröffnet wird der Konzertreigen von Amorphis. Für mich nicht ganz verständlich, dass die Finnen als Opener fungieren. Amorphis zählen aber auch schon seit je zu meinen absoluten Lieblingsbands, was natürlich bedeutet dass ich sie gerne ein bisschen weiter vorne im Billing gesehen hätte, mit längerer Spielzeit. Die Mannschaft rund um Sänger Tomi Joutsen mussten zuletzt den Ausstieg von Langzeitmitglied und Bassisten Niclas Etelävuori verkünden. Er wurde mittlerweile wieder durch das Gründungsmitglied Olli-Pekka Laine ersetzt. eine halbe Stunde Spielzeit wurde den Finnen zugesprochen, klar dass da nicht alle Hits der Band den Sprung in die Setlist finden können. Diese war jedoch sehr ausgewogen, ich denke es war auch gewollt, dass man mehrheitlich Songs mit Tomi’s Singstimme brachte und auf allzu viele Growls verzichtete. Bereits beim zweiten Song «Sacrifice» hatte ich im Fotograben schon Gänsehaut und wusste nicht mehr so recht, soll ich jetzt knipsen oder abfeiern. Ich entschied mich für Ersteres, den nach dem dritten Song musste die Kamera sowieso weggelegt werden. Dafür hatte ich nachher noch Zeit mich vor die Bühne zu begeben und den Rest des Sets zu rocken, welches mit «House of Sleep» sein Ende fand. Amorphis ist in meinen Augen eine unglaubliche Liveband, dessen habe ich mich in den vergangenen Jahren immer wieder überzeugen können, so auch heute. Wenn auch noch nicht soviele Leute vor der Bühne waren (was ich vom Golden Circle halte, ist ja auch bekannt), sie wurden schon anständig abgefeiert. Sänger Tomi Joutsen traf ich kurze Zeit später noch während dem Beatsteaks Auftritt im Publikum, und konnte noch ein paar Worte mit ihm wechseln. Abschliessend eine Band die ich immer wieder gerne sehe und auch immer das geboten kriege was ich erwarte. Nämlich eine souveräne Show, mit unverwechselbarem Sound und dem eigenartigsten Mikro der Szene.

FLOGGING MOLLY

Flogging Molly besitzen einen unglaublich guten Ruf als Liveband. Sie sind auch immer wieder in der Schweiz zu Gast und waren auch erst gerade im Juli im Volkshaus in Zürich. Sänger Dave King spielte früher schon einmal in der sträflich unterbewerteten Band Katmandü zusammen mit Mandy Meyer (Krokus, Gotthard, Unisonic), und kennt so nicht nur die Schweiz sondern auch die Schweizer. Zudem sind Flogging Molly bereits am Vorabend in Thun gewesen und werden bestimmt den Bierumsatz angekurbelt haben. Die irische Folk-Punk-Rock Band aus Los Angeles liessen sich aber nicht nehmen, der Einladung von Volbeat Folge zu leisten und heute abend ihren Stilmix aufs Publikum loszulassen. Zudem ist es für sie eine gute Gelegenheit ihr aktuelles Album «Life Is Good» einer breiten Masse vorzustellen. Und wie sie dies taten, denn die Stockhorn Arena wurde in Schutt und Asche zerlegt. Natürlich nicht wörtlich, schon eher im übertragenen Sinne. Der Vorabend in Thun muss wohl länger gedauert haben, den nur Rockmusiker begrüssen ihr Publikum mit Ansagen wie; es ist 17:45, Zeit fürs Frühstück und nimmt einen Schluck Guiness. Bereits beim ersten Song «The Hand Of John L. Sullivan» war die Partydevise allen Anwesenden eindrücklich klar gemacht worden. Flogging Molly waren in richtig guter Spiellaune und das überträgt sich nun mal. Dave King ist zudem ein ganz guter Frontmann und weiss wie man sich das Publikum um den Finger wickeln kann. Er sucht auch die Interaktion mit den Anwesenden bewusst und findet selbst in der gut besetzten Frontrow T-Shirts die erwähnt werden müssen. Das die Truppe aus Los Angeles nicht mehr gänzlich unbekannt ist zeigte sich auch immer wieder darin, dass sich das Publikum sehr textsicher zeigte. Dies gipfelte dann bei der Queen Hymne We Will Rock You in seinem Höhepunkt. Dieser zeitlose Song wurde perfekt in die eigene Nummer «Crushed» reingepackt, es war ein Ohrenschmaus. Nicht wenige meinten ihm Nachhinein hier den geheimen Headliner schon gesehen zu haben, mich eingeschlossen. Die gut angezogenen Herren und Dame boten hier ganz grosses Kino. Respekt auch vor der Meute, die die kompletten 45 Minuten sich im Circle Pit befanden, es war nämlich immer noch hochsommerlich heiss zu diesem Zeitpunkt.

BEATSTEAKS

Punkig geht es weiter mit den Beatsteaks aus Berlin. Diesmal kommt zum Punk jedoch noch eine gehörige Portion Alternative Rock hinzu. Welche Grösse die Beatsteaks haben, wird einem erst bewusst wenn man sich vor Augen führt, dass selbst die Toten Hosen schon einen Song von ihnen gecovert hat (Hand in Hand). Aber auch selbsternannte beste Band der Welt, die Ärzte, erwähnen die Beatsteaks in einem ihrer Songtexte. Diese Woche noch erscheint am ersten September ihr bereits achtes Studioalbum. Nun aber stehen sie erst einmal auf der Bühne in Thun. Optisch so rein gar nicht Punk kommen die Mannen daher. Sänger und Gitarrist Arnim Teutoburg-Weiss beherrscht das Publikum immer mit einem Lächeln im Gesicht, der Spass ist ihm anzusehen. Bassist Torsten Scholz rennt rum und wie ein Derwisch und ist mit einem stetigen Bewegungsdrang belegt. Ich hab die Beatsteaks noch nie live gesehen und kenne sie aktuell nur von ihren letzten paar Videoveröffentlichung, unter anderem mit Deichkind oder Jamie T. Diese Videos haben mich ein wenig in die Irre führen lassen, denn ich hatte anderes erwartet. Ich hätte bei weitem was anderes erwartet als diese punkigen Pophymnen die dau losgelassen wurden. Zum Glück aber wusste das Publikum wohl viel eher etwas mit ihnen anzufangen. Ich habe mich während des Auftrittes mal durch Publikum gekämpft und musste feststellen, dass die Beatsteaks eine richitg grosse Fanbase haben. Da wurde getanzt und mitgesungen. Zudem warf sich Gitarrist Peter Baumann mit einem FC Thun Shirt in Schale, was natürlich ziemlich gut ankam. Einen Song konnte ich dann doch auch mitsingen, die Beatsteaks coverten ebenfalls einen Song von Queen, diesmal war es I Want To Break Free. Sänger Arnim liess es sich zudem auch nicht nehmen das Bad in der Menge zu geniessen und war auf einmal statt auf der Bühne am Crowdsurfen im Publikum. So gewinnt man Sympathien und so heizt man ein für den Headliner der noch folgen sollte.

VOLBEAT

Pünktlich um 20:30h fiel zum Motörhead Intro der Vorhang und auch die ersten Regentropfen. Volbeat schob den Gang rein und drückte das Gaspedal runter. Die Dänen sind aktuell wohl eine der angesagtesten Bands im Showgeschäft. Mit ihrem einzigartigen Sound und der unverwechselbaren Stimme von Michael Poulsen schmetterten sie gleich The Devil’s Bleeding Crown vom aktuellen Album Seal The Deal & Let’s Boogie in die Menge und gaben so auch gleich den Tarif bekannt. Der Regen hat zum Glück gleich wieder eine Pause eingelegt, bevor er dann später nochmals mächtig mit Blitz und Donner zulegte. Jetzt aber war erst einmal ein Donnerwetter von der Bühne zu überstehen. Ähnlich wie auch auf ihren Platten schieben Volbeat den Regler nur in eine Richtung, nach ganz oben. Für meine Geschmack fehlt so ein wenig die Abwechslung im Sound des Vierers aus Kopenhagen. Den selbst bei akustischen Gitarreneinlagen war der Pegel voll offen, ich hätte mir im Spiel von Volbeat ein wenig mehr Dynamic gewünscht was es einfach abwechslungsreicher macht, so erwischte ich mich nun mal leider immer wieder einmal mit einem Blick auf die Uhr. Wer mich kennt weiss was dies zu bedeuten hat. Volbeat hatten aber von Anfang an das Publikum fest im Griff, dazu brauchte es auch kein grosses Gerede von Poulsen. Es wurde wirklich bis in die hintersten Reihen mitgemacht. Ich habe selten ein dieser Grössenordnung erlebt, mit eigentlich vier grundverschiedenen Bands, bei dem ausnahmslos alle Anwesenden die Hände oben hatten und abgingen wie die Pest, die Stockhorn Arena war jetzt definitiv eine Partymeile. Wenn dann mal wieder etwas gesagt wurde, wurden auch die Idole wie Johnny Cash gehuldigt. Die 37m breite und ca. 15m hohe Bühne war mit einem riesigen Bildschirm als Backdrop ausgestattet auf welchem immer aktuelle Bilder des Geschehens auf der Bühne gezeigt wurden, so kamen es auch die hinteren Reihen mit. Mit The Everlasting wurde auch ein brandneuer Song gespielt, welcher vor dem Einsatz in Thun erst zweimal den Weg ins Setlist gefunden hatte. Ansonsten fand man alle grossen Hits aus der 16-jährigen Bandgeschichte im Repertoire und Volbeat hatten merklich ihren Spass ihre Hymnen loszuschmettern. Ein Höhepunkt stellte für mich natürlich For Evigt dar, ich finde diesen Song einfach sensationell. In der Ansage verlangte Michael Poulsen ein Lichtermeer aus Feuerzeugen und Smartphones und wurde auch bedient, sah echt sackstark aus. Danach gab es dann den Crowdsurfing Wettbewerb, auf einmal wurden vermutlich fast mehr Körper auf Händen in Richtung Bühne getragen als in Thun im ganzen Jahr per Heirat über die Türschwelle. Das Mädel welches als erstes beim Securitygraben angelangt war, durfte sich ab einem Abstecher auf die Bühne freuen und einer vom Frontmann überreichten Gitarre. Mit Seal The Deal wurde dann der Regen auch immer stärker was aber der Stimmung keinerlei Abbruch tat. Ich glaube dem Publikum tat die Abkühlung ganz gut und kam wohl ziemlich gelegen, dies nach dem wohl letzten Hitzetag des Sommers. Ein paar Songs später wurde dann der offizielle Teil mit dem allerersten Chartstürmer von Volbeat, mit The Garden’s Tale beendet. Klar kam man nochmals zur Zugabe raus, da habe ich dann aber so langsam die Heimreise angetreten. Für mich genau zum richtigen Zeitpunkt, kaum sass ich im Auto war das Konzert zu Ende und der Himmel fing an zu weinen, er öffnete die Schleusen und ein deftiges Gewitter beendete einen überaus unterhaltsamen und tollen Abend. Einen Abend mit viel Musik von vier Bands die allesamt zu überzeugen wussten. Schade nur haben nicht mehr den Weg nach Thun gefunden. In der Nachlese habe ich dann erfahren, dass man gerne wieder Konzerte in Thun veranstalten möchte, was ich absolut begrüssen würde. Mein einziger Kritikpunkt des Abends ist das Parksystem. Dieses müsste nochmals überdenkt werden, ich fand es problematisch die Zufahrt gleich beim angrenzenden Shopping zu machen und mittels erfragen festzustellen wer ans Konzert geht. Ich hätte die Besucher von Anfang an gleich an der Arena vorbeigelotst und auf dem Waffenplatz parkieren lassen. Dies hätte vermutlich auch das Einkassieren der Gebühren vereinfacht. Aber dies ist jammern auf hohem Niveau, alles in allem fand ich es top organisiert.